24/09: Digitalisierung ohne Ende?

Bei der durchaus sinnvollen Umsetzung der Energiewende auf erneuerbare Energieformen wird selten hinterfragt, wieso wir immer mehr Elektrizität benötigen. Oft wird Künstliche Intelligenz und Kryptowährung angeführt. Das stimmt natürlich. Doch hier möchte ich grundsätzlich auf die Digitalisierung eingehen. 

Ich bin in einem kleinen Weiler aufgewachsen, wo ein Chronist die wichtigsten Daten und Ereignisse auf einer Handvoll Papierblätter festhielt, welche anschliessend vorgelesen, gebunden und so völlig energiefrei der Nachwelt erhalten blieb. Nur die Beheizung des Archivraums benötigte Wärme.

Derzeit werden in jedem Bereich des Lebens Daten und Informationen digital erfasst, verarbeitet und energieintensiv gespeichert. Diese Daten sollen jederzeit verfügbar sein, wobei uns die Geschichte lehrt, dass allein in Stein gemeisselte Information für ewig besteht. 

Die Digitalisierungswelle ergreift alle Bereiche des Lebens und bindet neben Energie viel Freizeit und Freiheit. Viel Zeit verbringen wir mit unnötigen Aktivitäten für und um die digitale Welt. Zudem hinterlassen wir mit jedem Klick eine Spur, die unsere Präferenzen und Vorlieben belegen. Der gläserne Mensch rückt mit den gesammelten Daten immer näher, der Datenschutz bleibt dabei grösstenteils auf der Strecke.

Dank künstlicher Intelligenz sollen wir bald das Entscheiden der Technik überlassen. Aktuell bieten Browser von Google, Windows und Apple KI-Leistungen an. Auch Handy haben KI-Funktionen als Sprachübersetzer oder Kaufempfehlungen, die persönliche Daten auf einen Server zur Verarbeitung senden. Das erhöht den Datenverkehr, die Grösse der Serverfarmen und den Stromverbrauch. Brauchen wir das alles? “KI-frei, wir denken noch selbst!“ dürfte wohl bald als Gütesiegel erscheinen. Das computerunterstützte Denken ist zudem anfällig auf Manipulationen. Es geht in Zukunft wohl eher darum Verantwortlichkeiten abzuschieben und technische Abhängigkeiten zu schaffen. Und letztlich wird irgendwann Geld für KI gefordert.

Trotz aller Skepsis ist zu erwähnen, dass künstliche Intelligenz durchaus nützlich ist. So kann es bei medizinischen Diagnosen oder in der Landwirtschaft brauchbar sein. Bei aller technischer Hilfe bleibt die Verantwortung beim Benutzer. Letztlich sind wir jene, die die KI einsetzen und als Dienstleistung konsumieren. Dies gilt auch dann, wenn wir KI-Apps gratis nutzen oder lizenzieren und bezahlen. Was wir davon nutzen und wie wir entscheiden, ist unsere Verantwortung. Bei Kryptowährung ist der enorme Energieverbrauch, die Intransparenz der Besitzer und das Fehlen einer gesicherten Institution für mich kein Ersatz unseres Schweizer Frankens.

Auf das Anliegen, ohne einen digitalen Begleiter zu leben, haben kürzlich computer-kritische Kreise in Zürich hingewiesen. Mit einer Initiative fordern sie die Möglichkeit, auch ohne Handy ein Billett zu kaufen oder mit der Bank zu korrespondieren. An anderer Stelle wurde bereits gesagt, dass der Verlust eines Handys heute deutlich tragischer sei als der Verlust des Portemonnaies. Diese Aussage verdeutlicht, wie wichtig die digitalen Dienstleistungen in den vergangenen zwanzig Jahren wurden und wie abhängig wir geworden sind.

Stefan Griesser, Grüne Weinland, Stammheim