Kiebitze gegen Kartoffeln?
«Rettet unsere Landwirtschaft, die Garantin unserer Versorgung! Stoppt die kantonale Versumpfungs-Aktion!» lautet die Petition der SVP Bezirk Andelfingen, die sich gegen die kantonale Biodiversitätsstrategie richtet. Nach den Plänen des Kantons soll das Regenerationspotenzial ehemaliger, heute drainierter und landwirtschaftlich genutzter Moorflächen erhalten werden, damit diese als Feuchtgebiete wieder Lebensraum für gefährdete Pflanzen- und Tierarten bieten können. Dies ist dringend nötig: In der Schweiz sind fast die Hälfte der Lebensräume und mehr als ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten bedroht, z.B. der Kiebitz und der Laubfrosch.
Von insgesamt 14'400 ha drainierter Böden sind kantonsweit 1’300 ha, im Bezirk Andelfingen 110 ha von den Massnahmen des Kantons betroffen. Auf diesen «werden keine Subventionen für Drainagesanierungen und -erneuerungen mehr gewährt. Auch landwirtschaftliche Bodenaufwertungen werden nicht mehr bewilligt. Für die Bewirtschaftung bestehen jedoch keine Auflagen.» (Kt. Zürich, Amt für Landschaft und Natur, Dez. 2022)
Mit der Petition versucht die SVP, die landwirtschaftliche Versorgung gegen den Naturschutz auszuspielen. Dies greift zu kurz, denn Biodiversität und Versorgungssicherheit erscheinen höchstens kurzfristig als Gegensätze. Auf längere Sicht sind artenreiche Lebensräume im Gegenteil Grundlage und Voraussetzung für unsere Ernährungssicherheit, nur durch ihren Erhalt kann die landwirtschaftliche Produktion langfristig sichergestellt werden: Intakte Ökosysteme erbringen unbezahlbare Systemdienstleistungen für uns, indem sie Pflanzen bestäuben, zur Bodenfruchtbarkeit beitragen oder das Wasser reinigen – alles gratis und franko! Ein nachhaltiges Landwirtschaftssystem versucht demnach, Versorgungsauftrag und Schutz der natürlichen Ressourcen (u.a. Biodiversität) miteinander zu verbinden, statt aus den beiden berechtigten Anliegen einen Zielkonflikt zu konstruieren.
Wer den anlässlich der Petition ausgeschriebenen Wettbewerb unter dem Titel «Wyländer Ackerland vernichten und mehr Kartoffeln aus dem Ausland importieren?» (s. S. 7 in der AZ vom 5.1.2023) gewinnt, darf unter der persönlichen Führung von Christoph Blocher dessen Gemäldegalerie besuchen. Diese enthält bekanntlich Meisterwerke zahlreicher grosser Schweizer Künstler aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Blochers Sammlung bewahrt diese Kunstschätze sorgfältig auf und ist damit in einem guten Sinne zugleich «konservativ» und zukunftsgerichtet, indem sie auch kommenden Generationen ermöglicht, die wertvollen Gemälde von Albert Anker, Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini noch bestaunen zu können. – Dasselbe sollte für den Skabiosen-Scheckenfalter, die Sibirische Schwertlilie, den Laubfrosch und den Kiebitz gelten. Oder nicht?
Ulrike Schelling, Kantonsratskandidatin, GRÜNE Weinland