24/07: Biodiversität gibt uns Ernährungssicherheit und Wertschöpfung

Biodiversität; das ist eine farbenreiche Blumenwiese im Hochsommer, das ist ein ohrenbetäubendes Vogelkonzert nach einer verregneten Mainacht, und das ist die Grundvoraussetzung für Ernährungssicherheit und wirtschaftliche Wertschöpfung. Doch was ist Biodiversität eigentlich? Vielfältig benutzt, ist der Term doch klar definiert. Biodiversität, das ist die Anzahl und Verschiedenheit von Lebewesen in einer Landschaft. Eine hohe Anzahl von Arten ist die Voraussetzung für Ökosystemleistungen an einem Ort. Ein artenreicher Boden gibt uns leckeren Wein. Viele verschiedene Arten in einer Landschaft hingegen, sorgen für die Stabilität dieser Ökosystemleistungen. Sterben die Bodenorganismen A und B bei einem Rebberg aus, kann dieser Rebberg von den Arten C und D eines anderen Rebbergs besiedelt werden und die Aufgaben von A und B übernehmen. Viele verschiedene Arten mit ähnlichen Aufgaben sind also wie eine Art Versicherung. Diese Wichtigkeit einer hohen Biodiversität mag theoretisch klingen. Ich will die Konsequenzen eines Biodiversitätsverlustes an einem berühmten Beispiel aus China erläutern. In Mao’s China wurden die Spatzen für mangelnde Getreideernten verantwortlich gemacht. Mao schickte die Leute an, die Spatzen zu töten und zu vertreiben. Dies fand im grossen Stil in ganz China statt und bald waren nicht nur Spatzen, sondern auch viele andere Vögel aus vielen Landwirtschaftsregionen verschwunden. Die Diversität der Vögel war stark dezimiert. Darauf folgte eine Insektenplage. Keine Vögel waren da, um die Insekten zu verspeisen. Die Folge waren Missernten und eine enorme Hungersnot. Nun mag dieses Beispiel extrem klingen. Sowas würden wir ja in der Schweiz nie tun. Doch genau der gleiche Prozess läuft bei uns ab, einfach langsamer. Was dies für die Ernährungssicherheit und den Selbstversorgungsgrad der Schweiz betrifft, ist nicht absehbar. 

 

Und was hat Biodiversität mit Wertschöpfung zu tun? In der klassischen Wirtschaftstheorie wird Wertschöpfung durch Arbeit, Innovationen und Kapitalinvestitionen generiert. In dieser Gleichung fehlt jedoch die wichtigste Komponente. Ohne Biodiversität keine gesunden Arbeitskräfte, kein Investitionskapital und folglich keine Wertschöpfung. In den letzten 150 Jahren hat sich die Wirtschaftsleistung auf unserem Planeten vervielfacht und die Biodiversität ist stark geschrumpft. Es wird der Tag kommen, an dem aufgrund einer degenerierten Biodiversität keine zusätzliche Wertschöpfung mehr möglich ist. Eine grosse Anzahl globaler Konzerne haben dies erkannt und fordern unter dem Motto, «No business on a dead planet», Gesetzgeber dazu auf, Unternehmen zu verpflichten, deren Einfluss auf die Biodiversität zu rapportieren. Die Idee ist, analog zum CO2: Ein Unternehmen, welches die Biodiversität nicht degeneriert hat eine Zukunft und lockt Kapital an, die anderen Unternehmen gehen schlussendlich Konkurs. Ein Unternehmen hat jetzt ein Eigeninteresse seine Produktion in ein Land mit starken Umweltgesetzen zu ziehen. 

 

Eine stärkere Biodiversitätsgesetzgebung würde der Schweiz folglich zu einem klaren Standortvorteil im globalen Wettbewerb um Unternehmensstandorte und, wie oben erläutert, zu hoher Ernährungssicherheit verhelfen.

 

Julian Klein, Promovierter Biologe aus Rheinau, Grüne Weinland