Regierungsrat Martin Graf zu Abzockerei und Beschäftigungskrise

Die Schlacht um die Abzockerei in der Schweiz ist geschlagen. Die «Abzocker» haben verloren. Die gerechtere Verteilung von Wohlstand in unserem Land bleibt aber weiterhin ein öffentlich diskutiertes Thema. Die Abstimmung über die Lohnbegrenzungs-Initiative «1:12» der JUSO steht an.

Die Schlacht um die Abzockerei in der Schweiz ist geschlagen. Die «Abzocker» haben verloren. Der Schuss vor den Bug ist zwar eher von symbolischem Wert. Die stärkeren Rechte des Aktionariates werden kaum viel bewirken, sitzen doch die Hauptaktionäre meist auch in den Verwaltungsräten und profitieren mit.

Die gerechtere Verteilung von Wohlstand in unserem Land bleibt indessen ein öffentlich diskutiertes Thema. Die Abstimmung über die Lohnbegrenzungs-Initiative «1:12» der JUSO steht an. In keiner Unternehmung sollen die obersten Chefs pro Monat mehr verdienen können als die am schlechtesten bezahlten Mitarbeiter pro Jahr.

Laut Umfrage von «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche» sprechen sich 49,5 Prozent für die Lohnbegrenzungs-Initiative aus, 40 Prozent sind dagegen, zehn Prozent sind unentschlossen. Die «1:12» – Initiative könnte im Unterschied zur Abzockerinitiative wenigstens Wirkung zeigen, setzt sie doch den schlimmsten Auswüchsen klare Grenzen. Die öffentliche Verwaltung wäre übrigens nicht betroffen, da sie schweizweit keine solchen Lohndifferenzen ausweist.

«Gerechte Verteilung» als öffentliches Thema? Endlich - mir brennt es schon lange unter den Nägeln. Dabei geht es um deutlich mehr als um exorbitante Managersaläre. Es geht um die Verteilung von Lohn und Beschäftigung, von Ressourcen und Wohlstand, von Mitteln und Chancen der Entwicklung.

Wir Schweizerinnen und Schweizer sind privilegiert. Das zeigt der Blick auf die Beschäftigungszahlen. Im Februar betrug die Arbeitslosigkeit im Kanton Zürich 3,3 Prozent. Das bringt zwar die Betroffenen in erhebliche Not. Doch kann unsere Gesellschaft diese Zahlen noch einigermassen verträglich abfedern.

Viel schlimmer ist es um die Beschäftigung in der Europäischen Union bestellt. Gerade junge Menschen erleben beim ersten Versuch ihres Berufseinstiegs die totale Demotivation. Von den 15- bis 24-Jährigen in unseren Nachbarländern haben im Durchschnitt 23,6 Prozent keine Arbeit. 7,5 Millionen junge Europäerinnen und Europäer schaffen in jungen Jahren den Einstieg ins Erwerbsleben nicht. Das hat Folgen für ihr ganzes Leben.

«Ohne eigenes Verschulden tragen diese jungen Leute die Folgen der Finanzkrise», so das Ergebnis einer Analyse der Deutschen Bank. Die Nationalbanken drucken Geld und verhindern so die Pleite von Geschäftsbanken. Die Nebenwirkung in Form von hoher Arbeitslosigkeit trifft die Jugend in Griechenland und Spanien. Ich hoffe für unsere Kinder, dass dieser Kelch an der Schweiz vorbeigeht. Eine Garantie haben wir nicht!

Ob der jüngste Weltentwicklungsbericht wirklich Hoffnung bedeutet, ist ungewiss. 2020 sollen Brasilien, Indien und China mehr produzieren als die sechs einst führenden Industrieländer USA, Kanada, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien und Italien zusammen. Dass Wachstum und steigende Produktivität global zu mehr Beschäftigung und besserer Wohlstandsverteilung führt, lässt sich aus der Geschichte jedenfalls nicht ableiten.

Kehren wir also am besten zuerst vor unserer eigenen Tür. Bekämpfen wir die Auswüchse reiner Profitgier zu Lasten anderer! Wer weiss - vielleicht sind wir früher als erwartet auf die Solidarität Anderer angewiesen.