22/09: Tiefenlager: «zurückgestellt» - und doch noch auf der Liste
September 2022
AZ-Forum-Beitrag von Thomas Feer, Präsident Grüne Weinland, Stammheim
Vor gut zwanzig Jahren hätte die Nagra das Zürcher Weinland als Standort für das Tiefenlager auserkoren. Dass es heute anders ist, wissen wir alle. Was waren die wichtigsten Ereignisse von damals bis heute. Eine Expertengruppe entwickelte ein Lagerkonzept und der damalige Bundesrats Moritz Leuenberger, SP, rief ein ergebnisoffenes und mehrstufiges Auswahlverfahren ins Leben. So startete das Bundesamt für Energie das Sachplanverfahren geologisches Tiefenlager, welches über drei Etappen von 2008 bis ca. 2030 dauert und raumplanerische Antworten liefern soll.
Nach zwei Dekaden hat sich die Nagra diese Woche für Nördlich Lägern entschieden. Dabei wurde diese Region am Ende der zweiten Etappe 2015 ausgeschieden. Nach einer kritischen Würdigung meinten zuerst die Kantone, dann auch das ENSI, die bautechnische Machbarkeit sei im Opalinuston von Nördlich Lägern möglich. Auch unsere Regionalkonferenzen forderten die Wiederaufnahme dieser Region. Seit 2017 war diese Region wieder aufgelistet.
Zwei Regionen sind mit dem Entscheid der Nagra überzählig, im Sachplan sind sie vorerst «zurückgestellt». Was bedeutet das für diese beide Regionen? Auf die Frage, was bei unerwarteten Problemen am gewählten Standort die Nagra machen würde, meinte Herr Alig von der Nagra vor wenigen Wochen an einem Podium in Stadel: «Falls Probleme einen Abbruch am gewählten Standort aufdrängen, dann habe die Nagra weitere Regionen in der Reserve.»
«Zurückgestellt» heisst nicht eingestellt. Es kann also sein, dass unsere Region wieder in die Auswahl kommt. Denn bis zum Standortentscheid durch den Bundesrat und dem Standort-Gesetz der Räte bleibt jede Region eine Option. Zeit zur vollständigen Entspannung ist heute nicht angebracht. Erst um 2030 klärt sich die Situation.
Wir Grünen haben die vergangenen elf Jahre in der Regionalkonferenz den Prozess kritisch und aktiv begleitet. Unsere Forderung war immer, zuerst alle AKW’s abzuschalten und dann erst das Tiefenlager für die zu erwartende Menge hochradioaktiver Abfälle vorzubereiten. Es braucht einen klaren Umsetzungsplan für die Abschaltung. Denn jährlich produzieren die AKW’s 60 Tonnen hochradioaktiven Abfall, was den Berg immer grösser werden lässt. Die Sicherheit, die bei der Entsorgungsfrage Vorrang hat, muss weiter in Diskussion bleiben, denn es können neue Erkenntnisse auftauchen.
Ein zentrales Anliegen ist die Rückholbarkeit über die Einlagerungsphase hinaus. Dazu braucht es auch nach dem Verschluss eine Überwachung des Lagers, damit gegebenenfalls rechtzeitig Massnahmen eingeleitet werden. Und die Beurteilung der Daten, Schlussfolgerungen und Prozesse durch externe Experten ist im Sinne von Checks and Balances jederzeit zu gewährleisten.
Aus Verantwortung zur Energiegeschichte beteiligen sich die Grünen aller Standortregionen im Sachplanverfahren. Wir haben die AKW der Schweiz nie befürwortet und stellen uns doch der Situation, dass wir alle mit dem Atommüll kompetent und verantwortungsvoll umgehen müssen. So haben die Tausend Generationen in der Zukunft eine Chance, keinen Schaden zu erleiden.
Thomas Feer, Präsident Grüne Weinland, Stammheim